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Bürgermeister Holger Schirmbeck im Abschieds-Interview | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 09.07.2015 22:57

Bürgermeister Holger Schirmbeck im Abschieds-Interview

Am 24. Juli ist sein letzter Arbeitstag. Dann verabschiedet sich Dr. Holger Schirmbeck (59) nach 25 Jahren und zwei Monaten aus seinem Bürgermeisteramt. Keine leichte Angelegenheit, wie er im Interview gegenüber Taucha kompakt sagt. Seine letzten Tage sind geprägt von Verabschiedungsrunden und organisatorischen Dingen. Für den 59-Jährigen sind sie vor allem ein Wechselbad der Gefühle.

Am 24. Juli ist sein letzter Arbeitstag. Dann verabschiedet sich Dr. Holger Schirmbeck (59) nach 25 Jahren und zwei Monaten aus seinem Bürgermeisteramt. Keine leichte Angelegenheit, wie er im Interview gegenüber Taucha kompakt sagt. Seine letzten Tage sind geprägt von Verabschiedungsrunden und organisatorischen Dingen. Für den 59-Jährigen sind sie vor allem ein Wechselbad der Gefühle.

Taucha kompakt führte das große Abschieds-Interview mit Dr. Holger Schirmbeck am Mittwoch dieser Woche im Kaffeehaus Kraus.

Bürgermeister Holger Schirmbeck im Abschieds-Interview (Foto: taucha-kompakt.de)
Bürgermeister Holger Schirmbeck im Abschieds-Interview (Foto: taucha-kompakt.de)
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Bürgermeister Holger Schirmbeck im Abschieds-Interview (Foto: taucha-kompakt.de)

Herr Schirmbeck, ist jetzt noch viel zu tun?

Ja, durchaus. Auch wenn ich an der einen oder anderen Verabschiedungsrunde teilnehme, wie heute früh im Landratsamt oder in der Landesdirektion, so gibt es auch inhaltlich noch ein paar Dinge zu tun. Manches muss zu Ende gebracht oder weiter voran gebracht werden. Einfach auch, um es meinem Nachfolger Tobias Meier leichter zu machen. Bei den Zweckverbänden, in denen ich aktiv bin, ist es so, dass dort die Nachfolger noch nicht gewählt sind, aber auch hier Dinge vorbereitet werden müssen.


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Wie beendet man eigentlich eine 25-jährige Amtszeit? Kann man da einfach am Tag X sagen: So, das war's jetzt!? Und gibt es eine Übergangszeit mit Tobias Meier?

Ob das geht, kann ich Ihnen am 31. Juli sagen. Ich hab das ja noch nie probiert. Aber im Ernst: Es ist mein Bestreben, die Dinge so zu organisieren, dass es nahtlos weitergehen kann. Die Verwaltung war bei mir schon immer so organisiert, dass die Fachbereiche einbezogen und integriert sind. Tobias Meier übernimmt also eine funktionierende Einheit. Auch, weil die Fachbereichsleiter noch ein paar Jahre da sind.

Einen direkten Übergang werden wir nicht hinbekommen, aber wir setzen uns nächste Woche mal zusammen und besprechen ein paar Dinge. Am 3. August, dem regulären ersten Arbeitstag für Tobias Meier, bin ich nicht in Taucha. Es gibt also keine Schlüsselübergabe in dem Sinne. Er hat aber den Vorteil, dass er schon viele Jahre Stadtrat ist und gewisse Dinge kennt. Allerdings: Stadtverwaltung bedeutet viel mehr, insofern muss er einiges lernen, aber die Verwaltung hilft da sehr gut.

Wie fühlen sich die letzten Tage für Sie an? Sie räumen ja nun sicherlich auch Ihr Büro auf oder aus?

Das ist schon ein Wechselbad der Gefühle. Ja, ich habe angefangen, das Büro aufzuräumen. Da stößt man auf Vorgänge, die man überhaupt nicht mehr in Erinnerung hat und wundert sich über gewisse Dinge. Es wird mir immer mehr bewusst, dass der Lebensabschnitt, der es ja wirklich ist für mich, einfach zu Ende geht. Ich denke, der 24. Juli wird noch mal etwas ganz spezielles.

Gibt es Lieblingsstücke im Büro, die Ihnen jetzt in die Hände fallen und die vielleicht einen Ehrenplatz zu Hause bekommen?

Die meisten Dinge sind ja verwaltungsbezogen, die kann ich nicht einfach mitnehmen. Aber den Parthepreis vom Heimatverein, den nehme ich natürlich mit.

Über den neuen Bürgermeister Tobias Meier wird immer gesagt, er sei ja mit 37 Jahren für das Amt noch sehr jung. Viele vergessen aber, dass Sie zu Beginn Ihrer Amtszeit noch jünger waren. Wie war das damals?

In der Tat. Ich war beim Antritt 34 Jahre alt. Ich glaube aber, wer Anfang oder Mitte 30 ist, ist in einem Alter, in dem man Lebenserfahrung gesammelt hat. Das Alter bietet eine gute Perspektive, um ein solches Amt zu bekleiden.

An meinen ersten Arbeitstag erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an die ersten zwei Monate insgesamt. Ich hatte ja bis Mitte Juli 1990 zwei Jobs. Ab 1. Juni war ich Bürgermeister und bis Mitte Juli noch Vorsitzender LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) Merkwitz. Insofern hatte ich die ersten anderthalb Monate zwei durchaus vollwertige Jobs – bei der LPG gab es übrigens mehr Geld als im Rathaus.

Was war Ihre damalige Motivation, als Bürgermeisterkandidat anzutreten?

Bin ich ja gar nicht. Wir hatten noch die Kommunalverfassung der DDR und eigentlich ging es um die Stadtratswahl. Von allen Einzelkandidaten, die angetreten sind, hatte ich die meisten Stimmen bekommen. Und damals hieß es, wer die meisten Stimmen bekommt, sollte auch Bürgermeister sein. Ich erinnere mich noch an die SPD-Veranstaltung, auf der mir mehr oder weniger die Pistole auf die Brust gesetzt worden ist. Ich musste mich erst mal mit meiner Frau beraten. Die Entscheidung war keine leichte, auch weil ich ja gerade erst zum Vorsitzenden der LPG gewählt worden war. Am Ende war es dann eine gemeinschaftliche Entscheidung von meiner Frau und mir, dass ich das Bürgermeisteramt antrete.

Und die Kollegen in der LPG, was haben die gesagt?

Die Situation werde ich nicht mehr vergessen. Die Mitgliederversammlung der LPG hat großes Vertrauen in mich gesetzt. Dort hinzugehen und zu sagen, dass ich das Amt jetzt nicht mehr ausüben kann, war schwierig. Einerseits gab es Verständnis, anderseits auch ratloses Kopfschütteln. Zu den meisten hatte ich aber über die Jahre und habe ich auch jetzt noch ein gutes Verhältnis.

Sie gehen jetzt aus freien Stücken, sind bewusst nicht mehr zur Wahl angetreten. Warum eigentlich?

Das ist so wie zum Start meiner Bürgermeisterei: Im Wesentlichen war das eine sehr persönliche Entscheidung, die ich mit meiner Frau getroffen habe. Sie ist ja jünger als ich, wird also noch einige Jahre als Zahnärztin praktizieren. Wir wollten einfach unser Leben entschleunigen. Bislang richtete sich alles weitgehend nach meinem Terminkalender. Jetzt wollen wir mehr Zeit für uns, die Familie, die Enkel.

Mir war aber auch relativ klar, dass ich nicht noch mal sieben Jahre Bürgermeister sein wollte. Altersmäßig hätte das zwar gepasst, aber ich konnte es mir nicht mehr vorstellen. Und eher auszusteigen hätte meinem Selbstverständnis von diesem Amt widersprochen. Außerdem war es mir wichtig, einen geordneten Übergang herbeizuführen. Die Führungsriege der Stadtverwaltung ist ungefähr in einem Alter. Es war also abzusehen, dass sich die Fachbereichsleiter vor oder nach mir verabschieden. Darum ist es gut so, wie es jetzt eintritt. Dass es also erst mal einen neuen Bürgermeister gibt, der sich erst mit den Fachbereichsleitern einarbeiten und dann die Nachfolge regeln kann.

Wenn Sie Ihre 25 Jahre als Bürgermeister Revue passieren lassen – worauf sind Sie stolz?

Auch wenn es wie eine Plattitüde klingt, aber am meisten stolz bin ich, dass wir die allermeisten Entscheidungen, die wir getroffen haben und die Dinge, die wir gestaltet haben, immer als Team bewerkstelligen konnten. Das ist für meine Begriffe das Wichtigste, das man beachten muss: Es ist nicht alles alleine zu machen. Man muss als Bürgermeister auch Dinge abgeben können und vor allem Leute motivieren, sich einzubringen. Die meisten Entscheidungen konnten wir mit großer Mehrheit im Stadtrat beschließen und mit der Verwaltung tragen.

Außerdem muss ich sagen: Wir hatten von vornherein einen relativ klaren Plan von dem, was wir tun und wie wir die Stadt entwickeln wollten. Es ging immer um die Schaffung von Arbeitsplätzen und von Wohnraum. Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, aber wir hatten am Anfang riesige Wohnungsprobleme am Anfang, vor allem was den baulichen Zustand anging und außerdem wurden auch in Taucha viele Betriebe abgewickelt, weswegen zu dieser Zeit viele Menschen ihre Arbeit verloren.

Ein zweiter Schwerpunkt war die kommunale Infrastruktur. Da sind uns ein paar Dinge geglückt, die absolut prägend sind. 1990 gab es noch kein Gymnasium in Taucha. Wir haben aber erkannt, dass wir mit der Geschwister-Scholl-Schule ein Gebäude haben, das die Anforderungen für ein Gymnasium erfüllt. Also haben wir 1990 bis 1991 die Schule mit kommunalen Mitteln ohne Fördermittel ausgebaut. Der spätere Bau der Mehrzweckhalle ist auch so ein Beispiel. Wir waren eine der ersten Städte, die so etwas hatten. Die erste große Veranstaltung war die Bürgermeisterversammlung des sächsischen Städte- und Gemeindetages. Da gab es das eine oder andere neidische Gesicht.

Auch die Entscheidung, 1994/1995 das Polizeirevier im Stadthaus zu etablieren, war ein Erfolg der Verwaltung. Ebenso das Gesundheitswesen: Die damalige Kombination aus Krankenhaus und Poliklinik erwies sich als vorteilhaft. Die Entscheidung, dass der Landkreis das Krankenhaus übernimmt und die Stadt die Poliklinik, war in einer Beratungsstunde entschieden. Mehr oder weniger per Handschlag – es gibt bis heute keinen Vertrag dazu, hat aber auch funktioniert.

Eine der wesentlichsten Entscheidungen war auch die Entwicklung der städtischen Gesellschaften. Da sind wir allerdings nicht selbst drauf gekommen, sondern haben das übernommen aus der Stadt Hilden, von der wir Verwaltungshilfe bekamen. Ohne die städtische Gesellschaft wäre das Gewerbegebiet an der Autobahn nie entstanden.

Auch die Partnerschaft mit Frankreich ist eine Erfolgsgeschichte. Wir waren uns bewusst, dass mit der politischen Wende in der DDR auch eine Öffnung nach Europa verbunden war. Über die deutsch-französische Gesellschaft haben wir Kontakt gesucht. Dann ging es recht schnell, dass sich die Gemeinde Chadrac-Espaly bereit erklärte. 1991 haben wir die ersten Gespräche geführt, der Partnerschaftsvertrag wurde 1993 unterschrieben.

Das sind nur ein paar Beispiele. Es ist schwer, 25 Jahre knapp zusammenzufassen.

Wo sehen Sie Fehler und Misserfolge? Und gibt es etwas, das Sie noch schaffen wollten, nun aber nicht mehr dazu kommen?

Ganz klar der Straßenbau und die Fußwege. Wir haben andere Prioritäten gesetzt. Auch das Thema B87 ist äußerst unbefriedigend. Über die 25 Jahre haben wir keinerlei Verbesserung geschafft. Der Kreuzungsausbau ist wegen der Finanzkrise nicht gekommen.

Was Tobias Meier als Problem mit übernehmen muss, ist auch der Bahnhofs-Ausbau. Die Verzögerungen hängen hier nicht an der Stadt, der Umbau hat aber eine große Bedeutung für die Stadt.

In Ihrer Amtszeit gab es eine Vielzahl persönlicher Begegnungen. Wer hat Sie am meisten fasziniert?

Eine der emotionalsten Begegnungen war anlässlich des 50. Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz das Zusammentreffen mit jüdischen Bürgern, die hier in Taucha im KZ-Außenlager von Buchenwald arbeiten mussten. Das war eine außergewöhnliche Begegnung mit Menschen, die mit Taucha dramatische, aber auch positive Erinnerungen teilen. Dramatisch, weil sie hier unter unmenschlichen Bedingungen zum Arbeiten gezwungen wurden und positiv, weil sie hier befreit wurden. Die Auschwitz-Überlebende Ruth Elias und die anderen Bürger kamen an einen Ort zurück, an dem sie nicht gut behandelt worden sind. Diese Begegnung hat sich eingebrannt. Aber auch, dass sie mit freundschaftlichen Gefühlen wieder abgefahren sind.

Was werden Sie ab 1. August am meisten vermissen?

Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das kann ich Ihnen am 2. August beantworten.

Und was machen Sie ab dem 1. August? Den Vorruhestand genießen?

Ich habe noch keine konkreten Pläne, da ich mich in aller Ruhe neu orientieren werde, aber zuerst wird es viele Dinge zu erledigen geben, die bisher immer zu kurz gekommen sind.

Was wünschen Sie Tobias Meier? Was wünschen Sie der Stadt Taucha und ihren Bürgern?

Ich wünsche ihm natürlich viel Glück und ein gutes Händchen für die Entscheidungen, die herbeigeführt werden müssen. Ich würde mir wünschen, dass es ihm gelingt, die gemeinsame Kommunalpolitik weiter zu entwickeln. Die großen Entscheidungen sind immer mit großer Mehrheit getroffen worden. Das ist unsere besondere Stärke, die uns als Stadt auszeichnet. Und ich glaube, er hat die besten Voraussetzungen, das fortzuführen.

Den Bürgern wünsche ich, dass sie sich hier weiter wohl fühlen und dass sie hier gern leben. Es wird immer Probleme und Schwierigkeiten geben. Für die hat die Verwaltung aber ein offenes Ohr. Außerdem würde ich mir wünschen, dass wir uns das tolerante und weltoffene Image erhalten. Mit welcher Toleranz und positiver Begleitung hier gewisse Dinge laufen, ist sehr schön zu sehen. Ob das nun das Treffen der Buddhisten oder beispielsweise das Maultrommel-Festival ist. Die Toleranz prägt diese Stadt. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dass wir uns das erhalten.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute!

Am Donnerstag, den 9. Juli, wurde Holger Schirmbeck nach der Stadtratssitzung von allen Stadträten herzlich verabschiedet. Thomas Kreyßig (SPD) verlas mit zittriger Stimme einen sehr emotionalen Rückblick auf Schirmbecks 25-Jährige Amtszeit. „Natürlich geht einem das nahe, wenn man so lange Zeit Seite an Seite zusammengearbeitet hat”, sagte Kreyßig danach. Er, Schirmbeck und Achim Teichmann, jetziger Geschäftsführer der städtischen Gesellschaften, hatten seinerzeit die SPD Taucha gegründet. Hier ein kurzer Ausschnitt aus der Verabschiedungsrunde.

https://youtu.be/Ejiqgo5W7Dw

Die letzte Beschlussvorlage, über die Holger Schirmbeck die Stadträte abstimmen ließ, drehte sich um den Verkauf von Verkehrsflächen, Geh- und Radwegen entlang der Auf- und Abfahrten zur A14. Dieser Beschluss wurde einstimmig gefasst, wie übrigens alle Beschlüsse der Stadtratssitzung vom 9. Juli 2015. Der letzten unter der Leitung von Schirmbeck.


Daniel Große
Daniel Große
Daniel Große arbeitet seit 2001 als freier Journalist und berichtet hier zu allen Themen, die unsere Region bewegen. Infrastruktur, Blaulicht-Meldungen, Veranstaltungen, Neues aus den Rathäusern und vieles mehr veröffentlicht er hier. Schnell, kompakt und verständlich.
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