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Elternproteste gegen Schul- und Kitaschließungen auch in Taucha | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 21.03.2021 15:59

Elternproteste gegen Schul- und Kitaschließungen auch in Taucha

In einigen sächsischen Städten kommt es seit dem Wochenende zu Protesten von Eltern gegen die Schließungen von Kitas und Schulen aufgrund der Inzidenz über 100 (in Nordsachsen derzeit über 200). Vor dem Rathaus haben die Eltern darum Schuhe ihrer Kinder abgestellt, auch Schilder mit Sprüchen und Forderungen wurden an die Tür geklebt oder neben die Schuhe gestellt. Sogar Grabkerzen sind dabei.

In einigen sächsischen Städten kommt es seit dem Wochenende zu Protesten von Eltern gegen die Schließungen von Kitas und Schulen aufgrund der Inzidenz über 100 (in Nordsachsen derzeit über 200). Vor dem Rathaus haben die Eltern darum Schuhe ihrer Kinder abgestellt, auch Schilder mit Sprüchen und Forderungen wurden an die Tür geklebt oder neben die Schuhe gestellt. Sogar Grabkerzen sind dabei.

„Alle Kinder sind systemrelevant”, „Wir brauchen wieder echte Schule”, „Kindersport wieder erlauben - nicht nur Profisport” - solche Forderungen und Meinungen finden sich auf den Schildern, die seit dem Sonntag vor dem Rathaus zusammen mit Kinderschuhen aufgestellt werden. Aber auch: „Maskenzwang ist Kindesmisshandlung”, „Keine Masken, keine Tests, keine Impfungen!” oder „Freiheit ist nicht verhandelbar” ist auf den Schildern zu lesen. Letztgenannter Spruch war für Gymnasiallehrerin Susan Danke Grund genug, nach dem Lesen dieses Schildes noch mal nach Hause zu fahren und ein eigenes Schild anzufertigen. In einem langen Text erklärt sie, dass gerade Freiheit stets verhandelt werden müsse. Und sie zitiert Emanuel Kant, der sagte, dass die Freiheit des einen endet, wo die des anderen anfängt. „Mir sind einige Sprüche hier zu krass, das muss dringend differenziert werden”, sagt die Deutschlehrerin am Gymnasium Borsdorf gegenüber Taucha kompakt. Es findet in dieser Sache keine öffentliche Debatte statt, es wird kein Konsens mehr gefunden in der heutigen Zeit. Das überträgt sich hier an dieser Stelle aus dem Social Media in die reale Welt”, meint sie.

So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)
So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)
So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)
So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)
So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)
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So sah der Rathaus-Eingang am Montag kurz vor 7 Uhr aus. (Foto: taucha-kompakt.de)

Was ihr fehlt, ist ein kleinräumigeres Handeln. „Unsere Diskussionskultur ist zu impulsiv. Der eine fordert, die Lockdowns zu beenden, den anderen ist das zu gefährlich. Aber die Wahrheit liegt dazwischen, da wird aber nicht unterschieden”, so Susan Danke. Sie verstehe die Forderungen der Eltern, sie sind ihr aber zu undifferenziert. „Raus aus den eigenen Filterblasen und immer die Gegenseite mit im Blick haben”, ist ihr Rat.

Auch Raja Kozlovskaya und Sandra Mory haben heute Zettel und Schuhe an der Rathaustür hinterlassen. „Wir machen das, damit unsere Kinder wieder eine Kita besuchen können. Damit unsere Kinder nicht aussortiert werden, weil sie nicht systemrelevant sind. Wir wollen ein Zeichen setzen für die Zukunft unserer Kinder und Wertschätzung für unsere Kinder einfordern. Außerdem wollen wir Unterstützung für die Eltern einfordern. Es sollte genauer hingeschaut werden. Kinder sind keine Pandemietreiber. Die Kinder brauchen Ihre Bildung für Ihre Zukunft”, sagt Raja Kozlovskaya. Und Sandra Mory sagt: „Unsere Kinder leiden unter den Kita- und Schulschließungen.”


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Ein Mann und sein Sohn, Schüler einer sechsten Klasse an der Oberschule Taucha, treten heran und legen ebenfalls einen Zettel ab. Auf dem ist unter anderem - gerichtet an Bürgermeister Tobias Meier zu lesen: „Luft ist ein freies Gut [...] Lass nicht zu, das unsere Kinder Maulkorb tragen müssen!!!” - inklusive des Schreibfehlers. In der späteren Unterhaltung bezweifelt der Mann die Aussagefähigkeit der Corona-Tests und berichtet von einer Art Test-Zwang an der Oberschule. „Wer sich nicht selbst testet, darf nicht am Unterricht teilnehmen”, sagt der Tauchaer. Es gelte aber, die Älteren zu schützen. Er und sein Sohn fühlen sich gut und letztlich sei Corona nur eine Grippe. „Getestet wird, um die Zahlen künstlich oben zu halten”, sagt der Mann. Auf die Frage, wer etwas davon hat, antwortet er mit „Die Regierung.” Warum genau die Bundesregierung dies macht, wäre ein großes Rätsel, das er noch nicht lösen konnte.

Währenddessen wird eine ältere Frau laut: „Bill Gates will zwei Drittel aller Menschen mit den Impfungen umbringen”, ruft sie impulsiv zu Susan Danke. „Und was will Bill Gates Ihrer Meinung nach mit der Macht, wenn er fast alle Menschen umbringt?”, fragt die Lehrerin die Dame, die mit einer Bekannten gekommen war, um ein Schild aufzustellen, das unter anderem die Aufschrift „Keine Impfungen” enthält. Auf die Frage bekommt Susan Danke keine Antwort. Die ältere Dame winkt ab und geht. Die Lehrerin schüttelt den Kopf, sagt aber: „Man kann das den Leuten noch nicht mal übel nehmen. Das ist Ausdruck der schlechten Bildungspolitik, vor allem fehlt es an Medienkompetenz.

Eine andere Frau nickt und sagt: „Es geht hier um eine Grundrechtsabwägung. Offenbar gibt es ein Wissensdefizit. Was ist denn wichtiger? Dass ich keine Maske tragen muss? Letztlich geht es doch um das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aller Menschen. Das muss doch höher wiegen.”

Bürgermeister Tobias Meier, der von den Schuh- und Schilder-Niederlegungen an der Rathaustür über soziale Medien und Presse erfahren hatte, kam heute Nachmittag ebenfalls dazu. „Ich kann die Proteste verstehen und unterstützt den sachlichen und friedvollen Protest. Auch wenn ich nicht alle Meinungen gut heiße”, sagte er. „Bei einer Pandemie müssen alle Situationen Berücksichtigung finden. Meinungsäußerungen sind wichtig in unserer Gesellschaft und sorgen für den nötigen und vor allem in dieser schwierigen Situation dringend notwendigen Diskurs”, so Meier.

Allerdings gibt auch zu bedenken: „Bei einer örtlichen Inzidenz von etwa 350 in Taucha ist eine weitere Öffnung schwer zu vermitteln. In Nordsachsen (mit Inzidenz von ca. 220) gibt es von 0 bis etwa 2.000er Inzidenzwerte große Unterschiede. Das lässt sich auf den gesamten Freistaat übertragen. Da muss angesetzt werden. So haben wir in Taucha die Regenbogen-Grundschule, die bereits vorher vom Schulbetrieb genommen wurde. Neben zahlreich positiv getesteten SchülerInnen sind oder waren zu wenige einsatzfähige LehrerInnen und ErzieherInnen da. In anderen Einrichtungen haben wir wir keine Fälle”, so Meier in einer Stellungnahme, die er auch an der Rathaustür anbrachte.

Meier weiter: „Die Stimmung ist in der Bevölkerung sehr schlecht und die Nerven liegen bei Kindern, Jugendlichen, Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen oft blank nach dem langen Winter Lockdown, Heim-Beschulung, der kurzzeitigen Öffnungen und der wiederholten Rolle rückwärts und der ungewissen Zukunft. Alle versuchen Ihr Bestes. Meines Erachtens ist das der Staatsregierung alles bewusst. Doch sieht es so aus, als ob es für Kitas und Schulen keine perspektivischen Ideen gibt, wie mit Öffnungen umgegangen werden soll. Proteste und Hilferufe durch Plakate und Schuhe können sicher anregen. Vielmehr muss es eine Diskussion über neue Grundlagen für eine anhaltende Öffnungsstrategie geben.”

Die Plakate wolle er in den nächsten Tagen zur sächsischen Staatsregierung nach Dresden schicken. Die Kinderschuhe sollen der Kleiderkammer zugutekommen, die stets auf der Suche sei nach tragbaren und gut erhaltenen Schuhen jeder Größe.


Daniel Große
Daniel Große
Daniel Große arbeitet seit 2001 als freier Journalist und berichtet hier zu allen Themen, die unsere Region bewegen. Infrastruktur, Blaulicht-Meldungen, Veranstaltungen, Neues aus den Rathäusern und vieles mehr veröffentlicht er hier. Schnell, kompakt und verständlich.
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© taucha.media, Daniel Große.
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