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PCR-Test im Kindergarten: Vater zeigt Kita und Gesundheitsamt an | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 11.11.2021 09:24

PCR-Test im Kindergarten: Vater zeigt Kita und Gesundheitsamt an

Nach Ansicht eines Vaters kam es am vergangenen Freitag in der Tauchaer Kita Tausendfüßler zu einer „schweren Körperverletzung”. Auslöser waren durch das Gesundheitsamt Nordsachsen angeordnete und durchgeführte Corona-Tests in der Einrichtung. Bei 45 Kindergartenkindern wurden Rachenabstriche genommen, obwohl Lolli-Tests angekündigt gewesen seien. Daraufhin erstattete der Vater Anzeige gegen die Kita und das Gesundheitsamt. Seitdem liegen die Nerven bei vielen Eltern und dem Kita-Personal blank.

Nach Ansicht eines Vaters kam es am vergangenen Freitag in der Tauchaer Kita Tausendfüßler zu einer „schweren Körperverletzung”. Auslöser waren durch das Gesundheitsamt Nordsachsen angeordnete und durchgeführte Corona-Tests in der Einrichtung. Bei 45 Kindergartenkindern wurden Rachenabstriche genommen, obwohl Lolli-Tests angekündigt gewesen seien. Daraufhin erstattete der Vater Anzeige gegen die Kita und das Gesundheitsamt. Seitdem liegen die Nerven bei vielen Eltern und dem Kita-Personal blank.

Am Montag hatte die Leipziger Volkszeitung zuerst über den Fall berichtet: Am vergangenen Freitag, den 5. November war das Gesundheitsamt des Landkreises Nordsachsen in der Kita Tausendfüßler, um 45 Kinder einer Testung auf das Corona-Virus zu unterziehen. Anlass war der positive PCR-Test eines Erziehers, der auch Symptome zeigte, so Dr. Steffi Melz, Leiterin des Gesundheitsamtes des Landkreises Nordsachsen. „In der Regel werden dann die Kontaktpersonen in Quarantäne geschickt. Da allerdings am 29.10. eine Halloweenparty stattgefunden hatte, in der sich mehrere Gruppen mischten, wurde die Testung von 45 Kindern angeordnet”, so Melz weiter. Bei dieser Party war auch der positiv getestete Erzieher anwesend. Keines der Kinder zeigte Symptome. Dass die Testung dennoch angeordnet wurde, sei normal, so Steffi Melz: Es gebe keine fixe Kennzahl, wie viele Kinder erkrankt sein müssen, damit das Test-Team geschickt wird. „Es handelt sich vielmehr immer um eine komplexe Einzelfallentscheidung”, so die Leiterin des Gesundheitsamtes.

PCR-Test im Kindergarten: Vater zeigt Kita und Gesundheitsamt an (Foto: taucha-kompakt.de)
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Am Donnerstag, den 4. November, informierte die Kita-Leitung mittels Aushang die Eltern über die anstehende Testung der Kinder. Allerdings wurde offenbar falsch kommuniziert: Die Kita schrieb, dass bei den Kindern, die am 29. Oktober anwesend waren, so genannte Lolli-Tests durchgeführt werden. Warum die Kita dies schrieb, wird zu ergründen sein. Dr. Steffi Melz sagt: „Ein Lolli-Test wurde durch das Gesundheitsamt nicht kommuniziert. Bei konkret vorliegenden Indexfällen wird grundsätzlich das PCR-Verfahren angewandt. Das wurde der Einrichtung auch so mitgeteilt. Lolli-Tests werden vom Gesundheitsamt nur ausgegeben, wenn im Verdachtsfall ein schneller Überblick benötigt wird, bevor das Amt antritt. Möglicherweise wurde das Vorgehen verwechselt”, sagt sie.

So kamen also am Freitag, den 5. November zwei Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, um Rachenabstriche von den 45 Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren zu nehmen. „Spätestens hier hätte die Kita-Leitung Stopp sagen müssen”, sagt Marcus Tusche, Vater einer vierjährigen Tochter, die in die Einrichtung geht. Er wirft sowohl der Kita als auch dem Gesundheitsamt vor, einen medizinischen Eingriff bei seinem Kind vorgenommen zu haben. „Der PCR-Test ist ein medizinischer Eingriff, dem wir als Eltern nicht zugestimmt haben. Wir sind nicht verpflichtet, das durchführen zu lassen und wir hatten keine Möglichkeit, dem Test zu widersprechen”, sagt der Tauchaer Handwerker. Das Gesundheitsamt wiederum sagt: „Laut Infektionsschutzgesetz ist bei einem angeordneten Test keine schriftliche Einverständniserklärung nötig. Aufgrund des gebotenen schnellen Handelns war eine vorherige Einwilligung der Eltern nicht einholbar. Aus Sicht des Gesundheitsamtes war das Durchtesten der Kita unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das mildere Mittel als eine Schließung, Beobachtung und Quarantäne. Bei einer Verweigerung des Tests muss das entsprechende Kind, das als Kontaktperson gilt, in Quarantäne. Allerdings werden immer die Einrichtungen über die Testung informiert, so dass diese wiederum die Eltern informieren können”, teilt Steffi Melz mit. Letzteres wurde getan - allerdings wurde wie beschrieben eine falsche Testmethode angekündigt. Auch habe es keine Anzeichen dafür gegeben, dass die Kita-Leitung von einer anderen Testmethode als dem Rachenabstrich ausging, so das Gesundheitsamt.


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Letztgenannte Aussage wiederum deckt sich nicht mit dem, was der Elternrat der Kita sagt. Thomas Scherwat, Elternsprecher einer Gruppe des Kindergartens und Teil des Elternrates teilt mit, die Kita-Leitung hätte sehr wohl die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes gefragt, ob die Rachentests nun rechtens wären, obwohl seitens der Kita andere Tests angekündigt wurden. Auch Marcus Tusche beschreibt die Situation so, dass die stellvertretende Leiterin der Kita überrascht gewesen wäre. „Die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes bestätigten aber, dass die Tests wie angeordnet durchgeführt werden dürfen. Darum wurden die Rachenabstriche vorgenommen”, so Scherwat. Die Kommunikation habe zwischen Gesundheitsamt und Kita-Leitung bestanden. „Wer da einen Fehler gemacht hat, wird sicher noch geklärt”, sagt der Elternsprecher.

Marcus Tusche hat noch am Freitag Anzeige gegen die Leiterin und die stellvertretende Leiterin der Kita Tausendfüßler sowie gegen die testenden Personen des Gesundheitsamtes wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Dorothea Benndorf, Sprecherin bei der Polizeidirektion Leipzig teilt mit: „Die Anzeige lautet zunächst auf Körperverletzung. Ob diese als gefährlich einzustufen ist oder nicht, werden die Ermittlungen zeigen”, sagt sie. Für eine gefährliche Körperverletzung müssten diverse Tatbestände gegeben sein, etwa müsse ein gefährlicher Gegenstand zum Einsatz gekommen sein. „Es gab Verdachtsmomente gegen die beschuldigten Personen, darum haben die Beamten die Anzeigen aufgenommen”, so Benndorf. Nun würden Zeugen vernommen, andere Eltern befragt und Rücksprache mit den Ämtern gehalten, bevor der Vorgang zur Staatsanwaltschaft weitergeleitet wird. Weitere Anzeigen durch andere Eltern hätte es nicht gegeben, so die Polizeisprecherin.

Für den Elternrat ist der Alleingang von Marcus Tusche nicht akzeptabel, wie Thomas Scherwat sagt. „Die gesamte Elternschaft und der Elternrat tragen das nicht mit. Es wurden auch keine Kinder verletzt. Natürlich ist so ein Test nicht angenehm, aber weit entfernt von einer Körperverletzung”, so Scherwat. Alle Eltern würden die Tests begrüßen, um die Kita möglichst lange geöffnet zu lassen. Es sei kontraproduktiv, so Scherwat, wenn „die Leitung und der Träger in der Art und Weise angegangen und angezeigt werden. Natürlich ist es berechtigt, wenn die Eltern nun eine Erklärung bezüglich des Kommunikationsfehlers haben wollen. Die Eltern wussten nichts über den PCR-Test, das ist eine berechtigte Kritik. Aber das Verfahren an sich, also dass getestet werden muss, stellen wir nicht Frage.”

Auch Dr. med. Christoph Eymann, Kinderarzt in Taucha , sagt: „Ich wüsste nicht, wie ich jemanden beim Rachenabstrich verletzen sollte. Im Gegenteil: Ein Nasenabstrich beispielsweise birgt viel mehr Gefahren. So manches Kind bekommt dabei Nasenbluten.” Für ihn ist ein Rachenabstrich kein medizinischer Eingriff. „Bei einem medizinischen Eingriff verändere ich etwas am Körper. Eine Blutentnahme ist etwa ein solcher medizinischer Eingriff”, so Eymann. Allerdings: Auch das Gesundheitsamt teilt auf Anfrage mit, dass ein PCR-Test zumindest juristisch als medizinischer Eingriff definiert sei.

Körperlich verletzt wurde bei den Tests kein Kind. Das sagt auch Marcus Tusche: „Den Kindern, auch meinem, geht es körperlich gut. Was die Tests seelisch mit den Kindern angerichtet haben, weiß ich nicht. Wenn da zwei Halbgötter in weiß ankommen und einem ein Stäbchen weit in den Mund führen - da muss ich nicht lange überlegen, um zu dem Schluss zu kommen, dass das für kein Kind toll ist.” Er berichtet von Kindern, die geweint hätten. Der Eltern-Chat sei voll von Zitaten der Kinder, die darüber geklagt hätten, dass das Stäbchen weit hinter geschoben wurde. Taucha kompakt liegen Auszüge aus dem Whatsapp-Chat vor. Einige Eltern berichten hier von weinenden, andere von „tapferen” Kindern. Das Gesundheitsamt teilt mit: „Grundsätzlich nehmen nur medizinische Fachkräfte die Proben. Zum Einsatz kamen PCR-Tests. Das Kind kann, ganz wie es möchte, stehen oder auf dem Schoß von Erzieherin oder Testerin sitzen. Laut Kita-Leiterin war bei den Tests eine den Kindern bekannte Erzieherin dabei, die den Eindruck hatte, dass die Testungen koordiniert und zielgerichtet, liebevoll und freundlich sowie vor allem professionell abgelaufen sind”, so Steffi Melz vom Gesundheitsamt. Auch Thomas Scherwat sagt, es hätte keinen Zwang gegeben.

Marcus Tusche findet es „schade, dass einige Eltern das Geschehene einfach so abtun, als wäre nichts passiert. Hier waren offenbar alle überfordert. Man kann bei Unklarheiten den Hörer in die Hand nehmen, das ist doch wohl zu erwarten. Bei allen Dingen wie einer Fotoerlaubnis oder anderem muss man Unterschriften leisten und hier wird das nicht geschafft?”, beschwert er sich. Auch stellt er die Rechtmäßigkeit von PCR-Tests bei Kindergartenkindern generell in Frage. Diese seien laut damals (und aktuell) gültiger sächsischer Corona-Schutzverordnung nicht vorgesehen und nicht aufgeführt. „Also verstoßen die Testungen gegen die geltende Verordnung”, so Tusche. Das Gesundheitsamt des Landkreises Nordsachsen teilt diese Auffassung nicht.

Beim Träger der Kita, der Volkssolidarität Leipziger Land / Muldental, ist der Fall seit Montag gegen 17 Uhr bekannt, wie Geschäftsführer Klaus Bandekow gegenüber Taucha kompakt sagt. „Ich bin seitdem daran, herauszufinden, was passiert, erst dann kann ich vernünftigerweise etwas dazu sagen. Allerdings laufen ja nun Ermittlungsverfahren, daher beteilige ich mich nicht an Spekulationen”, sagt der frühere Anwalt aus Leipzig.

In der Tauchaer Stadtverwaltung ist der Vorgang auch bekannt. Sowohl Marcus Tusche als auch weitere Eltern hätten sich an ihn gewandt, sagt Bürgermeister Tobias Meier. Tusche wirft ihm vor, sich für den Fall nicht zu interessieren und ihn bewusst flach zu halten. Tobias Meier sagt: „Ich habe mir sofort am Montagvormittag Infos beim Gesundheitsamt und dem Träger der Kita eingeholt. Zudem habe ich mit der Sozialdezernentin und dem Landrat des Landkreises telefoniert.” Gegenüber Marcus Tusche hätte er am Samstagvormittag geäußert, dass er sich erst einen Überblick verschaffen muss. „Es gab das Angebot, mir den ganzen Whatsapp-Schriftverkehr auf seinem Handy durchzulesen oder anzuhören. Das ist aber für das weitere Vorgehen nicht verwertbar. Generell haben jetzt die Strafverfolgungsbehörden das Wort, so wie es ja auch von dem Vater gewünscht ist. Einzelne Aussagen dieses Vaters, anderen Eltern oder den Kita-Bediensteten können wir als Stadt momentan nicht kommentieren”, so Meier. Auf die besorgte Nachfrage einer Mutter, was die Eltern denn nun angesichts der erfolgten Anzeige tun können, um Schaden von der Kita und den Angestellten zu wenden, gab Tobias Meier den Rat, sich öffentlich hinter die Kita zu stellen.


Daniel Große
Daniel Große
Daniel Große arbeitet seit 2001 als freier Journalist und berichtet hier zu allen Themen, die unsere Region bewegen. Infrastruktur, Blaulicht-Meldungen, Veranstaltungen, Neues aus den Rathäusern und vieles mehr veröffentlicht er hier. Schnell, kompakt und verständlich.
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© taucha.media, Daniel Große.
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