In Taucha soll ein neues Ärztehaus entstehen. Dafür soll eigentlich die alte Poliklinik an der Graßdorfer Straße 13 weichen, denn der Platz wird dann für Stellflächen benötigt, nachdem das neue Ärztehaus direkt daneben entstanden ist. Nach einem offenen Brief des Vereins SAfT e.V. ist nun das Landesamt für Denkmalschutz auf das Haus aufmerksam geworden und erwägt, das Haus auf die Denkmalliste zu setzen. Damit wäre ein Abriss vom Tisch. Das stellt die Stadtverwaltung vor Herausforderungen - und verzögert die Errichtung eines dringend benötigten Ärztehauses in der Stadt noch weiter.
In Taucha soll ein neues Ärztehaus entstehen. Dafür soll eigentlich die alte Poliklinik an der Graßdorfer Straße 13 weichen, denn der Platz wird dann für Stellflächen benötigt, nachdem das neue Ärztehaus direkt daneben entstanden ist. Nach einem offenen Brief des Vereins SAfT e.V. ist nun das Landesamt für Denkmalschutz auf das Haus aufmerksam geworden und erwägt, das Haus auf die Denkmalliste zu setzen. Damit wäre ein Abriss vom Tisch. Das stellt die Stadtverwaltung vor Herausforderungen - und verzögert die Errichtung eines dringend benötigten Ärztehauses in der Stadt noch weiter.
Seit Jahren beklagen Tauchaer, Ärzte und Apotheker das Fehlen eines modernen Ärztehauses in unserer Stadt. Die alte Poliklinik an der Bahnstrecke in der Graßdorfer Straße genügt weder den räumlichen, noch brandschutztechnischen oder energetischen Maßgaben der heutigen Zeit, betonen Stadtverwaltung und die städtische Gesellschaft IBV immer wieder. Im Juni 2021 beschäftigte sich der Stadtrat erstmals mit dem Bebauungsplan Nr. 65 mit dem Namen „Neubau Ärztehaus und Erweiterung vorhandener Handelsstandort Graßdorfer Straße”. Im Oktober 2021 stimmte der Stadtrat der Billigung und öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes Nr. 65 zu. Nachdem im Sommer 2021 die städtische Gesellschaft IBV (WOTa) auf ihren Social Media Kanälen über das Vorhaben berichtete, regte sich erster Widerstand. Der Verein Solidarische Alternativen für Taucha e.V. (SAfT) hatte angeregt, das Haus als Erinnerung an Tauchas NS-Vergangenheit zu erhalten.
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Am 13. Oktober veröffentlichte der SAfT e.V. dann einen längeren offenen Brief, der am 30. November nochmals überarbeitet wurde . Darin heißt es unter anderem: „Das Gebäude in der Graßdorfer Straße wurde nach derzeitigen Erkenntnissen etwa 1940 als „Gefolgschaftshaus“, inklusive der Betriebsküche, des ersten Tauchaer Werkes der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (kurz HASAG) errichtet4. Die HASAG avancierte während des Nationalsozialismus vom Lampenhersteller zu einem großen Produktionsbetrieb für Waffen und andere Rüstungsgüter. Ihr Hauptsitz befand sich auf dem Gelände des heutigen Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig. Die HASAG war eng verflochten mit dem NS-Apparat und wurde sogar zum nationalsozialistischen Vorzeigebetrieb.” Andere authentische Orte mit so engem Bezug zur Zwangsarbeit, so zentraler Bedeutung und Lage seien in Taucha nicht mehr vorhanden. Ein Erhalt der Poliklinik sei aus Sicht des SAfT aufgrund der historischen Bedeutung des Gebäudes dringend geboten, heißt es. Der Verein stellt sich eine Umnutzung der Poliklinik als soziokulturelles Zentrum vor. „Taucha braucht einen festen Ort für Soziokultur, zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine. Dieser kann nicht nur zur Vitalisierung des kulturellen und sozialen Lebens in der Kleinstadt beitragen, sondern auch die „Abhängigkeit“ vom Leipziger Kulturangebot verringern”, heißt es in dem offenen Brief.
Als einzige Partei des Stadtrates reagierte die SPD Taucha auf den offenen Brief . Kurzfassung: Der bauliche Zustand der Poliklinik erlaube keine längerfristige Weiterführung als Ärztehaus, darum muss ein Neubau dringend her. Ein Alternativgrundstück stehe nicht zur Verfügung. Eine Umnutzung des Gebäudes als Ort für Soziokultur sei daher nicht möglich, unter anderem auch, da der Zustand des Gebäudes derart kritisch sei, dass erhebliche Investitionen vorgenommen werden müssten.
Am vergangenen Mittwoch, den 23. Februar, fand eine Mitgliederversammlung der SPD Taucha statt, an der auch der SAfT e.V. und Bürgermeister Tobias Meier teilnahmen. Selbiger erklärte dort, dass sich das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen bei der Stadtverwaltung gemeldet hätte. Das Amt ist offenbar durch den offenen Brief des SAfT auf das Haus aufmerksam geworden und in die Archive abgetaucht”, sagt Tobias Meier. Nach Auswertung aller Unterlagen gebe es „gute Gründe, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen”, zitiert Meier das Schreiben der Denkmalschützer. Das Objekt erfülle die Voraussetzungen eines Kulturdenkmals. Hinsichtlich seiner baugeschichtlichen Bedeutung gebe es ein öffentliches Unterhaltungsinteresse. „Dem Schreiben waren Auszüge aus Archiven beigelegt. In Reudnitz ging der Aufbau der HASAG los, irgendwann reichten die Gebäude nicht mehr, so dass man auch nach Taucha gegangen sei. Das später als Poliklinik genutzte Gebäude war zur Nazi-Zeit ein Gefolgschaftshaus mit Werksküche. Damit sei das Haus ein bauliches Zeugnis für die Täterseite”, zitiert Helge Zacharias, Fachbereichsleiter Bauwesen im Rathaus, weiter. Ob das nun ein Anliegen des SAfT war, wage er zu bezweifeln.
Tatsächlich sei es „immer Gegenstand der Diskussion, wie sehr man es begrüßt, Täterstandorte zu erhalten”, sagt Kristian Luda vom Verein SAfT. Dennoch sei es erstrebenswert, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen. „Es kann unterstreichen, welche Bedeutung die Rüstungsindustrie für Taucha spielte. Taucha wäre ohne diese Geschichte viel kleiner als heute. Allein die Zwicksche Siedlung ist im Kontext der Rüstungsindustrie entstanden”, so Luda. Die noch erhaltenen Wohngebäude genügten aber nicht als Zeitzeugen der NS-Vergangenheit, erklärt er weiter. „Wir haben das Glück, dass noch ein Gebäude existiert. Dieses spielt eine besondere Rolle in der Geschichte Tauchas und diese Erinnerung sollte man wach halten”, so das Vereinsmitglied weiter. Auch das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen weist in seinem Schreiben an die Stadtverwaltung darauf hin, dass das Haus das letzte vorhandene der Rüstungsindustrie ist und man diese Zeitgeschichte anhand eines Gebäudes erleben könne.
Die Stadtverwaltung habe nun Gelegenheit, sich mit begründeten Einwänden zurück an die Denkmalpfleger zu wenden. Allerdings: „Wir können die Geschichte nicht negieren. Es ist ja unstrittig, dass das Gebäude eine Rolle in der Zwangsarbeit spielte und so genutzt wurde. Das ist der Grund, warum wir keine Einwände vorbringen können und nicht antworten werden. Dennoch sind wir weiter im Kontakt mit dem Denkmalamt”, so Helge Zacharias. Auch Tobias Meier sagt: „Wir negieren natürlich nicht, dass die Rüstungsindustrie ein wichtiger Punkt in der Geschichte Tauchas ist. Die aktuelle Situation macht für uns die Entwicklung des Gebietes und vielleicht auch des Marktes nicht einfacher.” Geplant gewesen sei, dass das alte Gebäude abgerissen wird und dort eine noch nicht näher beschriebene Stelle der Erinnerungskultur geschaffen werde. Drüber seien sich die Städtische Gesellschaft, die Stadträte und auch SAfT „recht einig” gewesen. Der Verein bestreitet das: „Es gab inhaltlich keinen Austausch bis auf ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der IBV, Gunnar Simon”, so Kristian Luda.
Wie das dringend benötigte moderne Ärztehaus für Taucha nun umgesetzt werden kann, müssten die weiteren Planungen zeigen. „Mit dem Wissen, dass das Bestandsgebäude erhalten werden soll, sind unsere Pläne für ein neues Ärztehaus an dieser Stelle nicht vom Tisch. Die Frage ist beispielsweise, können wir ein Ärztehaus bauen, das nicht mehr so lang wie gedacht, sondern höher wird. Das alles ist zu prüfen”, so Tobias Meier. Generell müsse man abwarten, was das Landesamt für Denkmalpflege zum Bebauungsplan sage. Selbiger hatte vom 10. November bis 17. Dezember 2021 für die so genannten Träger öffentlicher Belange offen gelegen. Das Amt hatte sich eine Fristverlängerung erbeten - bis gestern, den 28. Februar. Eine Stellungnahme läge laut dem Fachbereich Bauwesen im Rathaus aber nicht vor. Generell hoffe Bürgermeister Tobias Meier, dass das Denkmalamt konstruktiv mitarbeite.
Dem Verein SAfT sei es wichtig zu erwähnen, dass „niemand bei uns gegen ein neues Ärztehaus ist. Aber eben nicht verbunden mit einem Abriss des HASAG-Gebäudes”, so Kristian Luda. Nachdem nun zumindest inoffiziell feststehen dürfte, dass das Haus erhalten werden muss, stellt sich die Frage, was damit passiert. Noch ist das Haus im Besitz der städtischen IBV. „Wir sind im Gespräch mit der Klima-Initiative und dem Heimatverein Taucha, um hier eventuell ein gemeinsames Vereinshaus zu realisieren. Es gibt an anderen Stellen bereits gute Erfahrungen mit soziokulturellen Zentren. Ein erstes Ziel war der Erhalt. Alles andere findet sich und es dauert ja sicher sowieso noch drei bis fünf Jahre, bis überhaupt die Baugenehmigung für ein neues Ärztehaus vorliegen würde”, so Kristian Luda. Diesen Vorstellungen widerspricht Tobias Meier: „Geplant war, bis Ende des Jahres mit dem Bebauungsplan durch zu sein und danach den Bauantrag einzureichen. Die Baugenehmigung wäre dann sicher Mitte nächsten Jahres da gewesen. Das verzögert sich nun natürlich alles, aber drei bis fünf Jahre wollen wir nicht warten”, sagt er.