„Taucha bricht auf“: 200 Gäste, viele Stimmen und spürbare Lust auf Veränderung | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 24.10.2025 10:23

„Taucha bricht auf“: 200 Gäste, viele Stimmen und spürbare Lust auf Veränderung

Starker Auftakt der Elterninitiative mit wortgewaltigen Vorträgen und zahlreichen interessierten Teilnehmern. Der Beginn der Schultransformation in unserer Stadt ist gemacht - nun heißt es: Am Ball bleiben, Netzwerke bilden und spürbare Veränderungen schaffen. Dass dies ein Marathon ist, darüber sind sich alle klar.

Die Elterninitiative „Taucha bricht auf” stellt sich während der Auftaktveranstaltung den rund 200 Gästen vor. (Foto: Daniel Große)
Die Elterninitiative „Taucha bricht auf” stellt sich während der Auftaktveranstaltung den rund 200 Gästen vor. (Foto: Daniel Große)
Die Elterninitiative „Taucha bricht auf” stellt sich während der Auftaktveranstaltung den rund 200 Gästen vor. (Foto: Daniel Große)

Am Donnerstagabend war das Foyer der Grundschule Am Park rappelvoll: Knapp 200 Gäste – vor allem Eltern, dazu Lehrkräfte, Stadträte und Interessierte – kamen zur Premiere von „Taucha bricht auf“. Die Elterninitiative um Susanne Troeger, Susan Danke, Daniela Zander, Janine Friebel und Jan Hartung hatte zu einem dichten Programm eingeladen. Dabei wurde deutlich: In Taucha ist der Wille groß, Schule gemeinsam weiterzudenken.

Schon am Nachmittag arbeitete ein nichtöffentlicher Kreis. Gestartet wurde mit einem Fröbelturm als Symbol. Mehrere Personen steuern hierbei eine an Schnüren befestigte Halterung und stapeln Holzklötze – ohne sie zu berühren – zu einem Turm. Das trainiert Kommunikation, Planung, Rollenverteilung und den Umgang mit Rückschlägen und steht sinnbildlich für gemeinsames Aufbauen. Genau so, sagten die Teilnehmer, fühle sich Schultransformation an. Simeon Borszik, Regionalkoordinator bei Schule im Aufbruch, freute sich über das Engagement der Anwesenden. Diese schrieben Schlagworte wie Freiheitsräume, Transparenz, Struktur, Kommunikation, gemeinsame Visionen, Vernetzung, Ressourcen für multiprofessionelle Teams und Startschuss auf kleine Klebezettel und befestigten sie am Fröbelturm. Daniela Dörge, Schulleiterin der Grundschule Am Park mahnte, „auch mal innezuhalten und die kleinen Schritte zu feiern“. Hortleiterin Kerstin Fritsche dankte den Initiatorinnen ausdrücklich „für Euren Mut und die Ausdauer, die ihr nun sicher haben müsst“.

Der Fröbelturm gilt als Sinnbild für Teamarbeit, Kommunikation, Rollenverteilung und Rückschläge - bis hin zum Erfolg. (Foto: Daniel Große)
Der Fröbelturm gilt als Sinnbild für Teamarbeit, Kommunikation, Rollenverteilung und Rückschläge - bis hin zum Erfolg. (Foto: Daniel Große)
Der Fröbelturm gilt als Sinnbild für Teamarbeit, Kommunikation, Rollenverteilung und Rückschläge - bis hin zum Erfolg. (Foto: Daniel Große)

Margret Rasfeld (Mitgründerin Schule im Aufbruch und Reallabor Leipzig) bestärkte die Initiatoren: „Man kann nicht immer nur warten. Irgendwann muss man anfangen.“ Aus Sicht der Stadtverwaltung fragte Schulsachbearbeiterin Anela Petzold offen, wie eine Kommune sinnvoll unterstützen könne: „Wir sind keine Pädagogen – was braucht ihr konkret?“ Die spontane Antwort aus der Runde – unter anderem von der Kurt-Masur-Schule Leipzig – war klar: Finanzielle Spielräume und Sonderformate, die nicht am Vertretungsplan scheitern.

Minister setzt Akzente – und dämpft Tempo-Erwartungen

Im öffentlichen Teil skizzierte Sachsens Kultusminister Conrad Clemens den Kurs: „Wir stehen in Sachsen gut da, wir haben sehr gute Lehrerinnen und Lehrer. Aber wir sehen auch, dass die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler abnehmen – deshalb muss auch an sächsischen Schulen etwas getan werden.“ Wichtig sei eine kontinuierliche Kompetenzerfassung „von der frühkindlichen Bildung bis zum Schulabschluss“. Schulen bräuchten Freiräume, um den Stundenplan aufzubrechen; gebundener Ganztag und digitales Selbstlernen seien „gute Wege“. Und: „Das geht nicht von heute auf morgen. Das ist ein Kulturwandel, der Vorbereitung braucht.“ Der Minister ordnete die Debatte ausdrücklich in den Prozess „Bildungsland Sachsen 2030“ ein und verwies auf Qualität statt reiner Quantität bei der Lehrkräftefrage.

Sachsens Kultusminister Conrad Clemens im Interview mit Sachsen Fernsehen. (Foto: Daniel Große)
Sachsens Kultusminister Conrad Clemens im Interview mit Sachsen Fernsehen. (Foto: Daniel Große)
Sachsens Kultusminister Conrad Clemens im Interview mit Sachsen Fernsehen. (Foto: Daniel Große)

Elterninitiative: Nicht meckern – machen

Susan Danke sagte: „Unser Bildungssystem ist 150 Jahre alt und beantwortet viele Fragen dieser Zeit nicht mehr. Ich bin aber nicht zum Meckern hier – ich will Chancen nutzen.“ Wissen über globale Zusammenhänge müsse stärker werden, Kinder „brauchen eine Lobby“. Jan Hartung hofft, „dass hier ein Netzwerk entsteht, mit dem wir gemeinsam durch die Decke gehen“. Janine Friebel sprach von Haltung: „‚Taucha bricht auf‘ ist ein Motto für alle, die Bildung verändern wollen. Die Schüler von heute gestalten die Welt von morgen – Veränderung ist möglich.“ Susanne Troeger betonte die Rolle der Stadtgesellschaft: „Alles kann Lernort sein – Vereine, Unternehmen, Altenheime. Wenn Kinder Verantwortung übernehmen, fühlen sie sich als Teil von Taucha.“

Kinderstimmen zum FREI DAY – und Applaus

Besonders eindrücklich: die Kinder der Grundschule Am Park, vorgestellt von Schulleiterin Daniela Dörge. Lena (2. Klasse) findet es „toll, dass ich aussuchen kann, mit wem und was ich lerne“. Jonah (2. Klasse) gefällt, „dass es keine Noten gibt und wir an eigenen Themen weiterarbeiten können“. Mia (4. Klasse) berichtete vom Tauchscher-Projekt zum Thema Wald, Klara (4. Klasse) sagte: „Wir können uns ausprobieren, bis etwas funktioniert. Ich wünsche mir, dass es das auch an der weiterführenden Schule gibt.“ Dörge zog eine klare Linie: Kinder lernen auch durch den FREI DAY frei zu sprechen und zu argumentieren, Selbstwirksamkeit wachse sichtbar. Dazu gab’s viel Applaus.

Debatte zwischen Euphorie und Realität

Es blieb aber nicht bei Zustimmung. Eine Schülerratssprecherin des Geschwister-Scholl-Gymnasiums sagte im nichtöffentlichen Teil, sie fühle sich in der Runde der Erwachsenen, die über sie sprechen „wie ein Zootier, dem der Stall schöner gemacht werden soll“. Ihr Wunsch stattdessen: echte Entlastung, mehr Förderung, Rückfragen durch Lehrkräfte, statt immer noch mehr Selbstorganisation. Eine Schülerin der Oberschule erinnerte an die Corona-Zeit: „Wir mussten uns im Homeschooling schon einmal alles selbst erarbeiten – wir brauchen jetzt eher mehr Begleitung.“

Die langjährige Schulleiterin und heutige Stadträtin Kristina Danz (FDP) setzte das in Beziehung zu früheren Umbrüchen: „Wir haben 1990 eine Transformation erlebt. Regeln sind nichts Schlechtes – entscheidend ist das Miteinander von Eltern, Lehrern, Schulträger und Schulamt.“ Ihr Enkel erlebe den FREI DAY in Leipzig als „fantastisch“ – zugleich müsse der Bildungsauftrag im Blick bleiben.

Annelie Hampel, Stadträtin bei „Wir für Taucha“, berichtete von Elternprojekten, die Ausfallstunden überbrücken – mit Berufseinblicken aus der Praxis, bei denen Schülern das Leben gelernt werde. Mathias Götzl, Schulleiter der Tauchaer Oberschule kenne solche Projekte. Die funktionieren aber nur wenn Ausfälle nicht erst am selben Tag bekannt werden“, argumentierte er. Daniela Zander von „Taucha bricht auf“ plädierte dafür, „neu und groß zu denken“ - Teamarbeit komme in Schulen noch zu kurz.

Rasfelds Plädoyer: Aufrichten statt Unterrichten

Margret Rasfelds Vortrag beeindruckte die Anwesenden besonders. (Foto: Daniel Große)
Margret Rasfelds Vortrag beeindruckte die Anwesenden besonders. (Foto: Daniel Große)
Margret Rasfelds Vortrag beeindruckte die Anwesenden besonders. (Foto: Daniel Große)

Besondere Resonanz erfuhr der Vortrag von Margret Rasfeld, Gründerin von „Schule im Aufbruch“. Sie legte den Blick auf die großen Linien: Klimawandel, soziale Spannungen, Sinnkrise. Sie fragte, ob wir nicht in Teilen „fehlgebildet“ seien, wenn hochgebildete Gesellschaften dennoch Zerstörung vorantrieben. Viele Abiturienten würden die Zusammenhänge von Fast Fashion und Mikroplastik kaum kennen. Ihr Fazit: „Es braucht einen Paradigmenwechsel – Aufrichten statt Unterrichten, Beziehung statt Entfremdung, Fehlerkultur statt Fehlerangst, Bewegung statt ‚Einstuhlung‘, Selbstwirksamkeit statt Hilflosigkeit.“ Der Lehrplan müsse entrümpelt werden; entscheidend sei die Stärkung psychischer Gesundheit.

Ohnmachtsfalle Schule

Während ihres teils emotionalen Vortrags war es still im Publikum, das sichtlich mitfühlte. Danach wandten sich einige Eltern und auch Lehrer an Janine Friebel von „Taucha bricht auf“ und berichteten, dass sie Tränen in den Augen gehabt hätten bei dem, was sie hörten. Kein Wunder, wenn Rasfeld doch unter anderem Briefe von Schülern zitierte, in denen sie Schule mit einer Ohnmachtsfalle verglichen.

Praxisimpulse: SOUL in Leipzig, MeTAzeit in Kamenz

Maria Kasparek von der Quartiersschule Ihmelsstraße in Leipzig stellte SOUL – Selbstorganisiertes Unterrichten und Lernen – vor: Ziele setzen, Arbeitsort und -partner wählen, Logbuch führen, begleitet durch Mikro-Coaching. Das Format ist an der Schule fest verankert – und zeigt, welche Spielräume das sächsische System bereits lässt.

Kathrin Schütze, Schulleiterin der Grundschule Gickelsberg in Kamenz erläuterte die MeTAzeit. Dies sind ritualisierte Einheiten aus Bewegung, Meditation und Achtsamkeit. Sie seien täglich in den Schulalltag integriert und verbesserten Lern- und Beziehungskultur spürbar.

Was bleibt vom Abend?

Simeon Borszik, Regionalkoordinator bei Schule im Aufbruch, leitete durch den Abend. (Foto: Daniel Große)
Simeon Borszik, Regionalkoordinator bei Schule im Aufbruch, leitete durch den Abend. (Foto: Daniel Große)
Simeon Borszik, Regionalkoordinator bei Schule im Aufbruch, leitete durch den Abend. (Foto: Daniel Große)

Zum Schluss stand weniger Theorie als Haltung im Raum. Friebel sprach von der „gemeinsamen Mutprobe“, Hartung von der Netzwerk-Chance. Aus der Stadtverwaltung blieb das Angebot, Bedarfe klar zu benennen. Aus dem Publikum kam der Wunsch nach verlässlichen Strukturen – und der Hinweis, dass Geld und Zeit die zwei härtesten Währungen bleiben.

Unterm Strich: großes Interesse, neugierige Debatten, viele konkrete Anknüpfungspunkte – und tatsächlich so etwas wie Aufbruchstimmung. Dieser Abend hat gezeigt, dass Schule mehr ist als ein Gebäude. Sie ist ein Stadtprojekt, an dem Taucha gemeinsam weiterbauen will – und mit Sicherheit auch kann. Der Elterninitiative „Taucha bricht auf“ gebührt ein großer Respekt für den starken und wortgewaltigen Beginn der Schultransformation in unserer Stadt.


Daniel Große
Daniel Große
Daniel Große arbeitet seit 2001 als freier Journalist und berichtet hier zu allen Themen, die unsere Region bewegen. Infrastruktur, Blaulicht-Meldungen, Veranstaltungen, Neues aus den Rathäusern und vieles mehr veröffentlicht er hier. Schnell, kompakt und verständlich.

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