Mit einer würdevollen Gedenkfeier wurden am heutigen Mittwochvormittag in der Eilenburger Straße vier Stolpersteine für die jüdische Familie Lipmann verlegt. Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und 11 des Geschwister-Scholl-Gymnasiums erinnerten an das Schicksal von Henriette, Johanna, Samuel und Jantof Lipmann, die in Taucha lebten und während des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Zwei von ihnen wurden in Auschwitz ermordet.
In kurzen Redebeiträgen schilderten die Jugendlichen die Ergebnisse ihrer monatelangen Recherchen, mit denen sie – unterstützt vom Erich-Zeigner-Haus e. V. und ihrer Geschichtslehrerin Anke Haugk – die Biografien der Opfer rekonstruierten. Eine Schweigeminute würdigte die Erinnerung an die Familie, die in der Eilenburger Straße 21 lebte und deren Lebensweg durch Ausgrenzung, Flucht und Deportation geprägt war.
„Menschlichkeit sollte unser Maßstab bleiben.”
Emily Bandt vom Erich-Zeigner-Haus e. V., die das Projekt begleitete, dankte den Schülerinnen und Schülern für ihr Engagement: „Dank eurer Arbeit wird nun auch den in Taucha verfolgten Juden ein würdiges Gedenken ermöglicht.“ Zugleich warnte sie eindringlich vor aktuellen antisemitischen Entwicklungen: „Wir leben in einer Zeit des Vergessens und des Erstarkens des Antisemitismus“, sagte sie und verwies auf den aktuellen Bericht der Meldestelle RIAS, laut dem 2024 über 8.600 antisemitische Vorfälle in Deutschland dokumentiert wurden – so viele wie nie zuvor. „Hakenkreuze an Häusern jüdischer Menschen, wie zuletzt in Hamburg, zeigen: Wir müssen jüdisches Leben schützen“, betonte Bandt. Die Stolpersteine seien ein stiller, aber kraftvoller Appell – und sie freue sich, dass Taucha diesen unterstützt.
Auch Bürgermeister Tobias Meier richtete klare Worte an die Anwesenden: „Wir erinnern an vier Menschen, die Opfer eines unmenschlichen Regimes wurden. Ihre Namen wurden aus der Stadtgeschichte gelöscht – heute holen wir sie zurück.“ Es sei wichtig, das Erinnern zuzulassen, so Meier. Antisemitismus, Rassismus und Gleichgültigkeit nähmen wieder zu, auch direkt vor der eigenen Haustür. „Es ist nie zu spät, Verantwortung zu übernehmen. Menschlichkeit sollte unser Maßstab bleiben.“
Für einen stillen, aber symbolträchtigen Moment sorgte auch Reinhard Mütze vom Heimatverein Taucha, der zum Zeichen der Verbundenheit mit dem jüdischen Glauben eine Kippa aufsetzte.
Einziger Wermutstropfen der Veranstaltung: Da die Eilenburger Straße während der Redebeiträge nicht gesperrt war, gingen Teile der Worte im Verkehrslärm unter. Umso mehr war spürbar: Erinnerung braucht Raum – auch im ganz praktischen Sinn.
Mit den nun verlegten Stolpersteinen wird nach der (am falschen Ort verlegten) Stolperschwelle auf dem Markt (2022) und dem ersten Stolperstein für den Kommunisten Alfred Bock (2023) erstmals das Schicksal jüdischer Bürgerinnen und Bürger dauerhaft im Stadtbild von Taucha sichtbar gemacht.