Der Stadtrat befasst sich am Donnerstag mit der Kita. Der weitere Betrieb der Einrichtung in Plösitz würde laut Stadtverwaltung enorme Kosten nach sich ziehen. Die Kita-Leitung erhebt schwere Vorwürfe an die Stadtverwaltung und vermutet, das Ende sei längst beschlossen.
Der Stadtrat von Taucha soll am kommenden Donnerstag eine weitreichende Entscheidung treffen: Die Zukunft der einzigen Kindertagesstätte im Ortsteil Plösitz steht auf dem Spiel. Die Stadtverwaltung will das Haus Sonnenschein bereits zum Jahresende schließen. Grund sind bauliche Mängel am Haus und damit einhergehende hohe Kosten. Der Träger zeigt Verständnis, die Kita-Leitung sieht die Lage anders und hängt vor allem emotional am Haus. Die Elternvertretung wünscht sich eine Verlagerung der Prioritäten bei der Betreuung von Kleinkindern – insbesondere in Bezug auf Neubauten und die Erweiterung bestehender Kitas. Befürchtet wird, dass die Schließung bereits längst beschlossen sei. Und abermals zeigt sich ein Kommunikationsproblem zwischen Stadtverwaltung, Stadtrat und Bürgern.
Beim Pressegespräch am 12. November teilte Bürgermeister Tobias Meier mit, die Einrichtung solle - das zustimmende Votum des Stadtrats vorausgesetzt - nicht bereits zum 31. Dezember 2024 schließen, sondern erst einen Monat später, also zum 31. Januar 2025. Auf diese Weise würde den Eltern mehr Zeit für die Suche nach einer neuen Einrichtung eingeräumt.
In der Begründung zur Sitzungsvorlage, die am Donnerstag im Stadtrat behandelt werden soll, heißt es, die Kita sei laut einem Gutachten „mängelbehaftet.“ Aufgrund einer besonderen baulichen Situation sei die Aufnahme von Kindern erst ab einem Alter von einem Jahr und zehn Monaten möglich. Dies mache den Betrieb schwierig, denn Eltern suchten bereits nach Ende der Elternzeit, spätestens nach 14 Monaten, eine Einrichtung.
Die Liste der Baumängel und Einschränkungen sei laut Gutachten lang. Dazu gehören ein abstandsflächenrechtlich unzulässiger Gruppenraum-Anbau, eine zu geringe Geschosshöhe im Kerngebäude sowie eine ungenügende Erschließung des Obergeschosses. Ein grundhafter Umbau würde tiefgreifende bauliche Eingriffe erfordern, darunter das Anheben der Geschossdecke und die Erneuerung des Daches, was als technisch wenig sinnvoll erachtet wird. Im Gutachten wird weiterhin darauf hingewiesen, dass das Gebäude aufgrund seiner Baugeschichte – es wurde in mehreren kleinen Abschnitten errichtet – als wenig solide einzustufen sei. Die Stadtverwaltung betont, dass die Bausubstanz nur noch auf Verschleiß genutzt werden kann, eine nachhaltige Nutzung sei jedoch fraglich.
Neben den baulichen Problemen kämen wirtschaftliche Aspekte hinzu: Durch die geringe Auslastung beliefe sich der Elternbeitragsanteil nur noch auf 5,24 Prozent, was zu einer erheblichen Erhöhung des Kommunalanteils führe. Zusätzlich würde der Betrieb mit einem Personalschlüssel von 0,75 Vollzeitbeschäftigten nicht mehr den Mindestanforderungen entsprechen. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, wäre eine Erhöhung des Personalschlüssels notwendig, was zusätzliche Kosten in Höhe von rund 100.000 Euro pro Jahr verursachen würde. Auch würde aufgrund der geringen Auslastung für die Essensausgabe ein Zuschuss für die Eltern in Höhe von 140,64 Euro anfallen. In anderen Kitas seien Servicepauschalen von maximal 32 Euro pro Kind und Monat fällig. Hier müsste die Stadt einen Zuschuss von rund 100 Euro monatlich pro Kind leisten, um die Eltern zu entlasten. Das wären weitere 10.000 Euro pro Jahr.
Im Juni dieses Jahres wurde ein Aufnahmestopp in der Kita verhängt. Laut Sitzungsvorlage war der Grund, dass Platz für nötige Sanierungen geschaffen werden soll. Dieser Aufnahmestopp führt nun dazu, dass maximal acht Kinder in der Kita betreut werden können. Was wiederum die Landeszuschüsse minimiert – ab 2026 müsste die Stadtverwaltung eine Differenz von 50.000 Euro jährlich selbst aus dem Haushalt tragen. Insgesamt würde die Kita Haus Sonnenschein den städtischen Haushalt im Jahr 2025 mit rund 160.000 Euro und im Jahr 2026 mit rund. 210.000 Euro zusätzlich belasten, unter Berücksichtigung des sinkenden Landeszuschusses und der hohen Betriebskosten.
Nicole Staacke, Fachgebietsleiterin für Kindertagesstätten beim Betreiber AWO Leipziger Land, zeigt grundsätzlich Verständnis für die geplante Schließung: „Seit dem Aufnahmestopp im Sommer war die Situation unsicher und viele Eltern haben sich nach Alternativen umgesehen.“ Sie weist darauf hin, dass die Stadt als Eigentümerin der Immobilie in der Verantwortung stehe, die Kosten zu überprüfen: „Da der Bedarf nicht so hoch ist, muss die Stadt auch schauen, wie sie Kosten sparen kann.“ Für die Kinder tue es ihr leid, dass der Kindergarten vor dem Aus stehe: „Das Haus Sonnenschein hat viel Charme, es ist ein Bruch für viele Plösitzer Familien.“ Allerdings betont sie, dass es Alternativen gibt: „Auch in unseren Kitas Grashüpfer, Koboldkiste und Sonnenkäfer in Taucha sind Plätze vorhanden. Letztlich liegt es nun am Stadtrat, eine Entscheidung zu treffen.“
Demgegenüber stehen die Aussagen von Yvonne Jähne, stellvertretende Leiterin der Kita Haus Sonnenschein. Sie zeigt sich emotional und wütend angesichts der Pläne: „Alles, was hier passiert, ist unmenschlich. Es fühlt sich für mich so an, als sei alles bereits entschieden.“ Sie kritisiert vor allem, dass das Gutachten zu den Baumängeln, welches als einer der Gründe für die Schließung genannt wird, nie an die Kita-Leitung weitergegeben worden sei. Auch die Eltern hätten keinen Einblick erhalten. Besonders bewegt zeigt sie sich im Hinblick auf die lange Geschichte der Einrichtung: „Meine Mutter Angela Zimmermann hat den Kindergarten mit aufgebaut. Seit über 30 Jahren ist sie hier, hat so viel Herzblut hineingesteckt. Auch mein Vater hat mitgeholfen, zum Beispiel beim Pflastern im Außenbereich. Hier geht es um mehr als nur einen Kindergarten – das ist ein Stück Geschichte von Plösitz, das nun einfach zunichte gemacht wird. Zudem verliert der Ortsteil damit seine einzige Kita.“
Ein weiterer Grund für den geringen Bedarf an Kita-Plätzen ist die demografische Entwicklung. Nachdem es jahrelang für Taucha nur bergauf ging, sei aktuell ein Geburtenknick zu verzeichnen, so die Stadtverwaltung. Wurden 2018 noch 143 Kinder geboren, waren es im Zeitraum vom 01.07.2023 bis zum 30.06.2024 nur noch 83. Aufgrund dieser Entwicklung bestehe in vielen Kitas Leerstand. Selbst bei einem Anstieg der Geburtenzahlen bis 2031 sehe die Stadt keine Notwendigkeit für die Rückkehr zur bisherigen Platzkapazität im Haus Sonnenschein.
Unverständlich erscheint vor diesem Hintergrund der lange bekannten Geburtenentwicklung und des mangelnden Zuzugs aufgrund fehlender Baugebiete, warum bestehende Kitas immer weiter erweitert werden. Die Kita Flohkiste beispielsweise wächst aktuell durch die bauliche Vereinigung mit dem ehemaligen Bowlingdschungel auf 160 Plätze. Ob diese Plätze überhaupt gebraucht werden, ist fraglich. Die demografische Entwicklung macht sich aber nicht nur in den Kitas bemerkbar. Auch die Anzahl der Tagesmütter in Taucha sinkt stetig. Im Oktober legte Tagesmutter Manja Geister nach mehr als zwölf Jahren ihre Tätigkeit nieder, weil sie ihre fünf Plätze nicht mehr besetzen konnte. Damit gibt es aktuell nur noch zwei Kindertagespflegen in Taucha.
Auch die Eltern zeigen sich enttäuscht und wütend. Bereits im September wandte sich Elternsprecher Steffen Matthes an den Stadtrat und Taucha kompakt. Er kritisierte die einseitige Fokussierung der Stadt auf Neubauten und Erweiterungen: „In den letzten Jahren wurden neue große Einrichtungen gebaut und mehr Kita-Plätze geschaffen, ohne die bestehenden Kita-Einrichtungen und deren Zustand zu berücksichtigen.“
Zudem beklagt er die mangelnde Kommunikation. „Nachdem sich die Stadtratsmitglieder alle Kitas angeschaut haben, gab es keine Rückmeldung mehr an uns. Wir hatten keine Möglichkeit, uns einzubringen. Es geht hier nicht nur um ein Haus, es geht um Menschen. Um Fahrtwege, um die tägliche Organisation morgens und nachmittags. Das betrifft uns alle, wenn Plösitz keine Kita mehr hat“, sagt er und argumentiert, dass der Ortsteil so unattraktiv für das Wohnen junger Menschen werde. „Auf diese Weise sorgt die Stadtverwaltung dafür, dass Ortsteile vergreisen“, meint er. Eine gleichmäßige Verteilung der Kitas über das gesamte Stadtgebiet einschließlich der Gemeinden müsse im Sinne kurzer Erreichbarkeiten gegeben sein.
Um ihren Unmut nach außen deutlich zu machen, wollten die Eltern ursprünglich Plakate an den Zaun der Kita hängen. Eine offizielle Anfrage ans Ordnungsamt, ob es dafür eine Genehmigung geben könne, wurde nie beantwortet, beklagt Steffen Matthes. „Wir wissen nun nicht, ob es abgelehnt ist oder ob wir es dürfen. Scheinbar sitzt man das Problem aus“, sagt er.
Wie sehr die drohende Schließung vor allem dem Kita-Personal an die Substanz geht, merkt man im Gespräch mit Yvonne Jähne. Den Tränen nahe und mit gebrochener Stimme sagt sie: „Das ist nicht mehr menschlich, was hier passiert. Jahrelang ging es, nun auf einmal nicht mehr. Der Aufnahmestopp hat uns das Genick gebrochen. Am Ende war es wohl genau das, was die Stadtverwaltung geplant hat.“
Angesichts der enormen Kosten, die für einen Weiterbetrieb der Kita Haus Sonnenschein auf dem Spiel stehen, scheint ein Ende unausweichlich. Keine leichte Entscheidung für die Stadträte, die sich am Donnerstag sicherlich dazu noch äußern werden. Elternvertreter Steffen Matthes will auch anwesend sein und seine Argumente nochmals vorbringen.