Ein zunächst belächeltes Objekt wird zum Statement. In Taucha zeigen fünf „Beau View“-Rahmen seit 2019, wie Kunst im Freiraum Heimat greifbar macht und ein regionales Selbstverständnis formt. Seit heute kommt den Rahmen eine weitere Bedeutung zu.
Ausgangspunkt ist eine Idee der ehemaligen Bauamtsleiterin Barbara Stein. Sie trieb Freiraumkunst im Stadtgebiet voran und setzte mit den „Beau View“-Rahmen ein persönliches Projekt um. Heute sind die Rahmen aus Cortenstahl mehr als Kulisse. Sie werden benutzt, bespielt, fotografiert. „Freirauminstallationen stoßen anfangs oft auf Skepsis. Das ist normal“, wird Barbara Stein in einer Mitteilung der Stadt Taucha zitiert. Stein weiter: „Doch inzwischen werden die Rahmen auf vielfältige Weise genutzt, ob als Sitzgelegenheit, Spielgerät oder schlicht als Ort zum Verweilen und Betrachten. Genau das ist der Sinn von Freiraumkunst: Sie soll zum Nachdenken und Mitmachen anregen.“
Die Einordnung kommt aus einem größeren Zusammenhang. Zwischen 2015 und 2020 untersuchte das Forschungsprojekt „StadtPARTHELand“, was die Auenlandschaft entlang der Parthe zusammenhält. Ergebnis: Es fehlte an sichtbarer, gemeinsamer Identität. Die Naturschutzstation Partheland nahm diesen Faden jetzt aktuell auf. Axel Weinert, Regionalmanager und Landschaftsarchitekt, beschreibt das Ziel so: „Unsere Aufgabe ist es, das Bewusstsein für die Region zu stärken. Wir möchten, dass die Menschen wissen: Wir sind das Partheland und wir wollen zeigen, wie schön und eigenartig diese Landschaft ist. Das Engagement der letzten Jahre zeigt Wirkung, denn der Begriff Partheland hat sich etabliert. Viele Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich inzwischen als Partheländer.“
Wie sich das im Alltag zeigt, sei am Rahmen gut zu sehen. Menschen stellen sich hinein, fotografieren sich und machen sich selbst zum Motiv. Aus dieser Praxis wird jetzt ein Programm, ja fast schon eine neue Marke. Die Rahmen werden nun mit dem Schriftzug „Mein Partheland“ versehen. „So wie früher auf alten Postkarten die ‚Parthedörfer‘ genannt wurden, schafft auch dieser Aufdruck eine subtile, aber starke Verortung“, sagen Axel Weinert und Barbara Stein. „Das Foto im Rahmen zeigt nicht nur ein Bild, sondern eine Haltung: Ich bin Teil dieser Landschaft, das ist meine Heimat.“ Für Weinert ist der Schriftzug auch eine Orientierungshilfe. Familienfotos bekommen einen klaren Ort. Aus einer einfachen Aufnahme wird ein Bekenntnis zur Region.
Die Stadtverwaltung ordnet die Aktion in eine breitere Strategie ein. Seit 2019 wächst rund um die Freirauminstallationen ein kleintouristisches Netz aus Wegen, Schildern und Erlebnispunkten. Getragen wird es vom Zweckverband Parthenaue mit Leipzig-Nord, Borsdorf und Großpösna. Die Parthestadt setzt dabei auf einfache Zugänge. Beschilderte Routen sollen Besucher an die Hand nehmen. „Das stärkt die Aufenthaltsdauer und macht die Landschaft lesbar. Vorbild sind etablierte Themenwege in der Region“, so Bürgermeister Tobias Meier bei einem heutigen Pressetermin am BeauView-Rahmen am Großen Schöppenteich.
Parallel entstehe ein Kunstwanderweg, den die Naturschutzstation Schritt für Schritt ausweist. Erste Tafeln stehen, weitere folgen. Geplant sei ein Rundweg mit mehreren Einstiegen. So lässt sich Natur erleben, aber auch Kunst im Raum. Ergänzt wird das durch Hinweise auf bestehende Skulpturen im Stadtgebiet. Die fünf Rahmen in Taucha seien damit Teil eines wachsenden Netzes.
Das Identitätsprojekt zielt auch auf den Alltag. Weinert wirbt dafür, das Partheland-Logo breiter zu nutzen. Etwa auf Bäckertüten oder im Schaufenster. Ohne großen Aufwand, aber mit klarer Wirkung. So wandert die Marke in die Hände der Menschen. Aus einem touristischen Label wird ein Stück Selbstverständnis.
Für das laufende Jahr kündigt die Naturschutzstation zusätzliche Beschilderungen und Infos zu Kunstwerken an. Damit soll der Blick geschärft werden für das, was längst da ist. Landschaft, Wege, Orte, die man kennt — und neu sieht. Oder, wie Weinert es formuliert: „Bleiben Sie neugierig. Jedes dieser Werke ist eine Einladung, das Partheland mit neuen Augen zu sehen, und zwar als unsere gemeinsame Heimat.“