Er kennt jeden Stein: Geologe Frank Junge macht Tauchas Erdgeschichte lebendig | Taucha kompakt

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Veröffentlicht am 11.11.2025 12:06

Er kennt jeden Stein: Geologe Frank Junge macht Tauchas Erdgeschichte lebendig

Dr. Frank W. Junge mit seinem Buch „Steinreiches Taucha”. (Foto: Daniel Große)
Dr. Frank W. Junge mit seinem Buch „Steinreiches Taucha”. (Foto: Daniel Große)
Dr. Frank W. Junge mit seinem Buch „Steinreiches Taucha”. (Foto: Daniel Große)

Seit Jahrzehnten erforscht Dr. Frank W. Junge, 63, die geologischen Schichten unter Taucha – vom Porphyr der einstigen Vulkane bis zu den Spuren der Eiszeit. Mit seinem Buch „Steinreiches Taucha“ hat er den unscheinbaren Steinen eine Stimme gegeben – und zeigt, wie eng Landschaft, Arbeit und Identität miteinander verwoben sind.

Er erzählt von Steinen, als würden sie atmen. Wer mit Dr. Frank W. Junge durch die Landschaft rund um Taucha spaziert, sieht die Region mit anderen Augen. Wo andere nur Hügel, Acker und Graben erkennen, sieht er Millionen Jahre Erdgeschichte – gefrorene Zeugen uralter Vulkane, geschliffene Felsen der Eiszeit und die Spuren jahrhundertelanger Arbeit im Steinbruch. Der Geologe, Autor und ehemalige Stadtrat lebt seit vielen Jahren in Taucha und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die scheinbar „toten Steine“ der Region wieder sprechen zu lassen.

Mit seinem Buch „Steinreiches Taucha. Parthestadt im einstigen Vulkangebiet“, erschienen 2023 im Sax-Verlag, führt Junge tief in die geologische und wirtschaftliche Vergangenheit der Region. Er beschreibt den Döbitzer Steinbruch und den Leipziger Ratssteinbruch am Graßdorfer/Cradefelder Berg – Orte, an denen über Jahrhunderte Porphyr gewonnen wurde, der unter anderem beim Bau der Wurzner Straße und der Jahnallee in Leipzig Verwendung fand. Doch für Junge steht dabei nicht allein das Gestein im Mittelpunkt: „Das Leben der Steinarbeiter stand im Vordergrund“, betont er.

Frank Junge wurde 1962 geboren und studierte an der Bergakademie Freiberg, wo er in Geochemie und Mineralogie promovierte und später habilitierte. Nach seiner wissenschaftlichen Laufbahn an der Universität Leipzig wandte er sich stärker der angewandten Geologie zu: Fast zehn Jahre lang untersuchte er Schwermetallbelastungen in Böden und Gewässern, bevor er 2010 in die Selbstständigkeit ging. Seither arbeitet er als freier Geowissenschaftler, Autor und Gutachter, nimmt Proben für geologische Expertisen, beurteilt die Gewässergüte in Auenlandschaften und begleitet Projekte rund um den Muldestausee, wo sich Schwermetalle aus alten Gruben ablagern.

Darüber hinaus engagiert er sich im Rittergut Trebsen, betreibt dort die Geoerlebniswerkstatt und führt regelmäßig Exkursionen – etwa in Tongruben und Steinbrüchen – für Schulklassen, Vereine und Interessierte. Auch in Taucha war er zwischen 2010 und 2019 als Stadtrat aktiv und kennt die Stadt somit in all ihren Schichten – politisch, menschlich und geologisch.

Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht das, was Tauchas Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes trägt: der Porphyr. Dieses Gestein stammt aus einem gewaltigen Vulkanismus vor rund 290 Millionen Jahren – ein sogenanntes „Nordwestsächsisches Vulkanbecken“, das sich von Rochlitz über Grimma bis Torgau erstreckte. Junge beschreibt in seinen Büchern, wie die vulkanischen Ablagerungen und späteren Eiszeitformen die heutige Gestalt des Parthelandes prägten.

Dabei gelingt ihm, was Wissenschaft oft schwerfällt: Er verbindet geologische Fakten mit erzählter Geschichte. Wenn er über Gletscherschliffe am Graßdorfer Berg oder die gefluteten Steinbrüche von Döbitz spricht, wird Geologie zum Spiegel menschlicher Entwicklung – vom Steinabbau über Industrialisierung bis zur Renaturierung.

Das Foto zeigt den Döbitzer Steinbruch im Jahr 2011. (Foto: H. Proschwitz)
Das Foto zeigt den Döbitzer Steinbruch im Jahr 2011. (Foto: H. Proschwitz)
Das Foto zeigt den Döbitzer Steinbruch im Jahr 2011. (Foto: H. Proschwitz)

Junge versteht sich nicht als Mahner, sondern als Vermittler. „Ich will niemandem mit erhobenem Zeigefinger erklären, was wichtig ist“, sagt er. „Mir ist es wichtig, dass Menschen ein Gefühl für ihre Landschaft bekommen.“ Sein Ziel ist, dass Kinder und Erwachsene ihre Umgebung bewusst wahrnehmen – nicht nur als Ort, an dem sie leben, sondern als Teil einer langen geologischen und kulturellen Geschichte.
Die Begeisterung überträgt sich besonders dann, wenn er mit Kindern Mineralien in der Sonne funkeln lässt oder über den ehemaligen Steinbruchrand blickt. „Einer von hundert bleibt hängen“, sagt er mit einem Schmunzeln – und meint damit: Es reicht, wenn einer beginnt, seine Heimat mit anderen Augen zu sehen.

Heute sind die alten Steinbrüche von Taucha weitgehend verschwunden, verfüllt oder vom Wasser bedeckt. Doch in Dr. Junges Arbeit lebt ihre Geschichte fort. Er bewahrt nicht nur Wissen, sondern öffnet den Blick auf eine Landschaft, die mehr ist als Kulisse – sie ist Erinnerung, Material und Erbe zugleich.

Was er zeigt: Auch Steine können erzählen. Man muss nur zuhören.


Daniel Große
Daniel Große
Daniel Große arbeitet seit 2001 als freier Journalist und berichtet hier zu allen Themen, die unsere Region bewegen. Infrastruktur, Blaulicht-Meldungen, Veranstaltungen, Neues aus den Rathäusern und vieles mehr veröffentlicht er hier. Schnell, kompakt und verständlich.

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